Freitag, 28. März 2008

Losing Neverland


Losing Neverland ist einer der Hauptgründe, warum ich Manga aus deutscher Produktion so gerne mag. Auf dem Comic Salon 2006 in Erlangen kaufte ich mir den ersten Band, der gerade frisch erschienen war, und wusste noch nicht so ganz, was mich da erwartete. Losing Neverland zeigte mir damas das erste Mal, dass es Manga aus Deutschland gibt, die es locker mit ihren japanischen Vorbildern aufnehmen können. Fahr Sindrams Zeichnungen sind einfach spitze, aber das allein ist ja auch bei deutschen Manga an sich keine Seltenheit. Was Losing Neverland von den meisten anderen Germanga abhebt, ist, dass es eine wirklich interessante eigene Geschichte erzählt, mit starken Charakteren, einem ausgefeilten Setting, und vor allem auch mit einer Botschaft.

Losing Neverland handelt von dem Stricherjungen Laurie, dem im London des 19. Jahrhunderts nichts anderes übrig bleibt, als anschaffen zu gehen. Wir erfahren nach und nach mehr über sein Umfeld, und wie er in diese schreckliche Lage gekommen ist. Wir lernen seine Freunde kennen, und erfahren, was das Leben für ihn noch lebenswert macht. Aber wir erleben auch, wie ihm Gewalt angetan wird, und dass er sich mit Selbsmordgedanken trägt. Fahr Sindram wechselt dabei zwischen Humor und Tragik, zwischen Freude und Schmerz mit einer erstaunlichen Leichtigkeit, und das völlig ohne Brüche im Fluss der Geschichte. Alle Charaktere, auch die "Bösen" sind gut ausgearbeitet und haben eine Geschichte, in der die Motive für ihre Handlungen begründet liegen. Wegen dieser hervorragenden Ausarbeitung wirkt die Geschichte selten konstruiert sondern liest sich eigentlich immer natürlich.

Losing Neverland richtet sich gegen Kindesmissbrauch, indem dieser ungeschönt geschildert wird. Das Format eines zuckersüß aussehenden Shojo Mangas ist dabei durchaus logisch, denn aus Japan kommen viele Manga, in denen Kindesmissbrauch romantisch verklärt und völlig unkritisch bis zur Pornographie dargestellt wird. Losing Neverland ist dazu ein brutaler Gegenentwurf und als solcher erfolgreich. Dass der Manga auf den ersten Blick mit dem kritisierten Material verwechselt werden kann, ist dabei kein Nachteil, denn deswegen wird er vielleicht von dessen Zielgruppe gelesen. Spätestens auf den zweiten Blick sollte jeder merken, dass er es hier mit einem Manga gegen Kindesmissbrauch zu tun hat.

Losing Neverland gehört zu dem Besten, was die deutsche Comicwelt derzeit zu bieten hat. Der Manga wurde vom Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung geehrt. Dass er nicht bei einem der Großverlage erscheint, liegt einzig und allein an der Weigerung der Autorin, mit diesen zusammenzuarbeiten. Bei Butter & Cream hat sie alle gestalterischen Freiheiten, wodurch die Bände zu einem Gesamtkunstwerk werden. Außerdem braucht sie sich keine Sorgen darüber zu machen, im gleichen Verlag mit den Manga zu erscheinen, gegen die sie mit ihrer Geschichte vorgeht.

Nach knapp zwei Jahren ist nun endlich der zweite Band erschienen. Bei den grandiosen Zeichnungen, die bis ins letzte Detail mit Rüschen und Rastern geschmückt sind, ist es auch kein Wunder, dass es so lange gedauert hat, und die Planung der Story nimmt sicher auch einige Zeit in Anspruch. Nach zunächst fünf, dann sieben, ist die Serie inzwischen anscheinend auf acht Bände angelegt. Es wäre schön, wenn es bis zum nächsten Band nicht ganz so lange dauert, aber das ist wohl eher unwahrscheinlich bei all den Projekten, die Fahr Sindram zur Zeit betreibt. Sie versucht sich bei ihrem Verlag Butter & Cream nämlich noch als Kinderbuchillustratorin und hat für diesen Herbst einen neuen Manga namens Cave Canem in Produktion, der in einem Band mit Memento Mori von Julia Schlax veröffentlicht werden soll.

Kauft Losing Neverland, denn dieser Manga ist es wert, gelesen zu werden! Empfehlt es auch all euren Freunden! Und wenn ihr internationale Freunde habt, so können diese inzwischen auch den ersten Band auf Englisch kaufen. Hier geht's zum Butter & Cream Shop!

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